Und wieder mischt sich dieses unermüdliche Klickern unter die Töne meiner Road Trip Playlist und das Prasseln der Regentropfen auf meiner Windschutzscheibe. Ich fahre nicht zum ersten Mal im Linksverkehr und es macht mir inzwischen sogar richtig Spaß – jedoch werde ich mich an eins wohl nie gewöhnen: Die vertauschten Hebel von Scheibenwischer und Blinker. Jedes Mal stelle ich hektisch den einen Hebel wieder aus und den anderen an, so dass die Wischer viel zu schnell über die Scheibe knattern. Es ist Tag drei meiner kleinen Tour durch das englische Lake District.
Am liebsten will man ständig anhalten
Ich bin schon einmal hier gewesen, mit einer Freundin. Damals waren wir ohne Navi und mit einer Karte aus den 80ern durch England gefahren, haben auf dünnen Matratzen im Kofferraum unseres Volvo Kombis auf abgelegenen Feldwegen geschlafen und unsere Haare mit Wasser aus Kanistern gewaschen. An einem Tag, an dem wir von der Straße versteckt hinter riesigen Farnpflanzen, neben einem plätschernden eiskalten Bach vom Blöken einer Schafherde aufwachten, die uns in der Nacht umzingelt hatte, habe ich mich in das Lake District verliebt.

Hier laufen die Tiere frei herum, die Landschaft ist so grün, dass es knallt und die Straßen so klein und atemberaubend, dass man am liebsten ständig anhalten will. Von damals blieben mir zwei Dinge in Erinnerung: 1. Die Straßen, die nicht für Wohnwagen geeignet sind, sind die schönsten und spannendsten. 2. Es gibt eine Passstraße, die so schmal und gefährlich war, dass ich sie nicht noch einmal fahren möchte – zumindest nicht allein.
Geisterschlösser und riesige Seen
An diesem Morgen im Juni 2014 hatte ich mit meiner Sherlock Holmes Spürnase Google Maps durchforstet, unseren damaligen Weg rekonstruiert und mir eine Alternativstrecke rausgesucht um vom südöstlichen Lake District zurück nach Ambleside zu kommen. Der kleine Mietwagen und ich winden uns durch die schmalen Feldwege, vorbei an kleinen Bauernhöfen und riesigen Seen, ich schmettere lauthals „There is a light that never goes out“ und der Regen prasselt im Takt während die Googlestimme mich an mein Ziel führt.

Vielleicht hätte es mich wundern sollen, dass ich schon eine Weile nichts mehr von ihr hörte, weil sich das Handynetz verabschiedet hatte. Vielleicht hätte ich mich zum zweiten Mal wundern sollen, als sich ein ganzer Schilderwald aus Warnungen vor mir auftat, daneben – mitten im Nichts – eine typisch britische rote Telefonzelle. Ich war aber ja so überzeugt, auf dem richtigen Pfad zu sein, dass ich einfach weiterfuhr. Außerdem hatte ich die Nacht zuvor in einem echten Geisterschloss übernachtet und überlebt. Ich fühlte mich unbesiegbar – und kam keine 500 Meter weit.
Achtung, Gegenverkehr!
Ich quälte den Wagen die nicht einmal zwei Meter breite „Straße“ mit 30% Steigung hinauf, schlängelte mich um Schafe und riesige Findlinge herum, vorbei am Abgrund, der ganz schön tief runter ging und stieß plötzlich auf: Gegenverkehr! Im Lake District ist das so, dass die Straßen einfach so schmal sind, dass es alle paar hundert Meter eine Passierbucht gibt.

Nur hatte ich so eine schon eine ganze Weile nicht gesehen und der entgegenkommende Fahrer war mindestens genau so stur wie ich. Mir blieb also nichts anderes übrig, als mich rückwärts die 30% Steigung wieder zurückzuzirkeln. Herum um Schafe und Felsen und nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt. Mir stand der Schweiß buchstäblich auf der Stirn. Ich weiß bis heute nicht wie, aber irgendwie habe ich es trotz Herzklabastern zurück nach unten geschafft, drehte die Zündung aus und stellte mich raus in den Regen. Erst, als ich völlig durchnässt war, stieg ich wieder in den Wagen und machte kehrt, um auf einer für Wohnwagen geeigneten Straße nach Ambleside zu fahren.
Dies ist der dritte Gastbeitrag von Nina vom Blog smaracuja.de
Wenn dir ihr Bericht gefallen hat, findest du hier ihre weiteren Beiträge zum Lake Wanaka in Neuseeland und den Pyramiden von Gizeh.
2 comments
Krystallynn
22. Dezember 2016 at 4:22
It’s imrtiaepve that more people make this exact point.
Pingback: Street Art in der italienischen Emilia Romagna | Kodak Moments Blog